Wahl in Ostdeutschland

 ein Alarmzeichen

Daß sich Ost- und Westdeutsche im politischen Denken so erheblich unterscheiden hat mit unterschiedlichen politisch-historischen Erfahrungen zu tun.

Der direkt - oder mittelbar - durch die DDR Sozialisierte lebt mit zwei - sich in sich im Grunde widersprechenden - Erfahrungen:
Die eine Erfahrung aus der Diktatur ist, daß gesellschaftliche Veränderungen nicht durch demokratische politische Prozesse erreicht werden können.
Die Erfahrung "der Wende" ist, daß sich gesellschaftliche Veränderungen aber durch Zerstörung des bestehenden Systems erreichen lassen.

Die Emulsion dieser Erfahrungen ist ein Verhalten das beireits in seiner Rhetorik den Eindruck vermittelt daß viele Wähler-OST der objektiv absurden Auffassung sind in einer Diktatur zu leben.
Das äußert sich z.B. in der wiederkehrenden Behauptung Dinge "nicht sagen zu dürfen" (gleichwohl man sie ja gerade gesagt hat...) oder auch Schlagworte wie "Lügenpresse", "Corona-Diktatur", "Öko-Faschismus" und dergl.
Hinzu kommt ein Wahlverhalten das weder auf inhaltliche Alternativen abstellt noch auf einer persönlichen weltanschaulichen Überzeugung gründet - sondern auf Destruktivität setzt - oder diese billigend in Kauf nimmt.
Schon vor den jüngsten Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen machten die Wählerwanderungen zwischen den Parteien in Ost-Deutschland oft den Eindruck "weltanschaulich erratisch" zu sein.


Zum Problem wird dieses "historisch-gedankliche Erbe" im Zusammenhang mit dem Gefühl von Unzufriedenheit.

Weil eine Vorstellung von Mitverantwortung fehlt - Wird das Gemeinwesen (hier übrigens bedenkliche Prallelen zu Russland!) als entfernte Obrigkeit interpretiert mit der ein "Gesellschaftsvertrag" mit dem Inhalt besteht daß sich "der Staat um Alles kümmert" - während der Untertan im Gegenzug auf "Mündigkeit" verzichtet.
Während in Russland die Erfahrung einer - von der Bevölkerung getragenen (und im Ergebnis die Lebensumstände verbessernden) - Revolution fehlt - hat der Ex-Bürger der DDR diese Erfahrung.
Im Falle Ost-Deutschland eine fatale Kombination: Die Absenz politischen Verantwortungsgefühls und konstruktiver Mitarbeit in Verbindung mit der Bereitschaft "bei Unzufriedenheit" das System zu zerstören.

Auch im Westen artikuliert sich "Unzufriedenheit" an der Wahlurne. Allerdings fällt im Westen auf daß sich radikale "Protestparteien" nicht nachhaltig in den Parlamenten etablieren konnten. Sie wurden "abgewählt"; Abgewählt bevor sie dazu ansetzen konnten Wohlstand und Ordnung zu gefährden.

Die Erfahrung der "Wende 1989" - als die Bürger der DDR erlebten daß man eine Diktatur mit massenhafter Zivilcourage in die Knie zwingen kan - ist eigentlich gut und wünschenswert.
Eine Erfahrung die wiederum dem "westdeutschen Kollektiv" fehlt, das von Anderen aus seiner (NS-)Diktatur befreit wurde.

Die Folge ist daß "der Westen" heute mit der historischen Erfahrung lebt, daß Probleme sich "auf wundersame Weise von selbst lösen". Man zwar irritiert - aber tatenlos - dabei zusieht, wie "der Osten" aus diffuser und rational nicht nachvollziehbarer Unzufriedenheit heraus bereit ist die Grundfesten von Freiheit, Wohlstand und Sicherheit zu zerstören.